Landesregierung legt sich mit Biblis B noch nicht fest
Montag, den 30. Mai 2011 um 16:33 Uhr
Schäfer-Gümbel sieht bei Fortbestand als Reservekraftwerk Energiekonsens gefährdet - Atomkraftgegner drohen mit neuen Protesten
Wiesbaden. Das südhessische Atomkraftwerk Biblis soll komplett stillgelegt werden. Ob der Block B nach Ende des Atommoratoriums aber noch eine Weile im Standby-Betrieb bleibt, um bei Bedarf mögliche Stromengpässe zu überbrücken, ist offen.
Ministerpräsident Volker Bouffier und Umweltministerin Lucia Puttrich (beide CDU) versicherten am Montag, das Ende der Atomkraft in Hessen sei mit den Beschlüssen der Koalitionsspitze in Berlin besiegelt. Ob Biblis B oder ein anderer Reaktor wegen drohender Stromausfälle als Reservekraftwerk bereitgehalten werde, entscheide die Bundesnetzagentur.
Die Opposition im hessischen Landtag wandte sich entschieden gegen ein solches Abrücken von der endgültigen Abschaltung des Atomkraftwerks in Biblis. Der SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel warnte vor einer schweren Belastung für den hessischen Energiegipfel.
Im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd lehnte er ein Festhalten an Biblis B als Reservereaktor entschieden ab. Es wäre geradezu ein «Treppenwitz», die sieben bereits abgeschalteten Reaktoren endgültig stillzulegen, aber Biblis B weiter am Netz zu lassen. Schließlich seien derzeit noch weit mehr Meiler abgeschaltet, ohne dass die Stromversorgung beeinträchtigt sei. Ein altes Stromkraftwerk als «Kaltreserve» zu behalten, sei unsinnig und nicht nachvollziehbar. Am Nachmittag sprach Schäfer-Gümbel von berechtigtem Misstrauen, dass die Atomreserve eine Hintertür für die Rückkehr zur Atomkraft offenhalten solle.
Bouffier versicherte dagegen in Wiesbaden, in Hessen werde bald keine Kernkraftenergie mehr produziert werden, «mit Biblis wird es jetzt zu Ende sein». Mit dem Beschluss der Koalition in der Nacht zum Montag werde Deutschland endgültig aussteigen. Allerdings sei die Warnung vor einem Stromausfall durch die Bundesnetzagentur nicht einfach wegzuwischen, sagte Bouffier. «Die Frage eines Stand-By-Kraftwerks kann ich nicht beurteilen, da gibt es noch viele Fragen». Diese Frage werde aber nicht Hessen entscheiden, sondern die Bundesnetzagentur. «Wir dürfen keinen Stromausfall riskieren, das wäre ein Schaden unermesslichen Ausmaßes für unser Land», warnte der Ministerpräsident.
Auch Umweltministerin Puttrich betonte, nun stehe fest, dass die alten Meiler vom Netz genommen würden. «Das gilt auch für Biblis A und B.» Was eine Standby-Lösung für Biblis B angehe, «haben wir diesbezüglich noch keine Antwort», fügte die Ministerin hinzu.
Am Freitag neue Gespräche der Länder in Berlin
Den jetzt gefunden Atomkompromiss nannte Bouffier ein «hochambitioniertes Werk, das eine herausragende Veränderung in wirtschaftlicher und industrieller Hinsicht» bringen werde. Der Plan bedeute auch ein hochambitioniertes Herauffahren der alternativen Energien und bei der Energieeinsparung. Am Freitag werde es in Berlin weitere Beratungen zu Fragen wie Steuerrecht, Leitungsbau, Planungsrecht und Mitwirkung der Länder geben. Diese würden das Thema am 8. Juli im Bundesrat endgültig behandeln.
SPD-Landeschef Schäfer-Gümbel warf dem Regierungschef dagegen vor, er sitze beim Atomausstieg «im Bremserhäuschen». Die hessischen Grünen erklärten, zur Zukunft von Biblis blinkten bei ihnen nach den Absichtserklärungen der Koalition «alle Alarmlampen». Fraktionschef Tarek Al-Wazir sagte, Biblis B dürfe genauso wenig wieder ans Netz gehen wie Biblis A. Pläne mit der «Kaltreserve» seien der Pferdefuß der Einigung von Schwarz-Gelb und ein weiteres Geschenk für die Atomindustrie. Linken-Fraktionschefin Janine Wissler warnte, Biblis B sei mit Baujahr 1976 gerade einmal zwei Jahre jünger als der älteste deutsche Meiler Biblis A und genauso störanfällig.
Der FDP-Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn und -Fraktionschef Florian Rentsch verwiesen dagegen darauf, dass die Bundesnetzagentur eine solche Reserve bis 2013 dringend vorgeschlagen habe. Mit einem SPD-Mitglied an der Spitze entscheide diese jetzt auch, welches Kernkraftwerk zur Absicherung noch zwei Jahre am Netz bleibe.
Unterdessen kündigten die Atomkraftgegner vom Arbeitskreis «AK.W.Ende» an der Bergstraße für Pfingstsonntag eine Demonstration in Biblis für den Fall an, dass es bei den Plänen für Biblis B als Reservereaktor bleiben sollte.
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