Theodor Storm
Knecht Ruprecht
Von drauß' vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit großen Augen das Christkind hervor,
Und wie ich so strolche' durch den finstern Tann,
Da rief's mich mit heller Stimme an:
"Knecht Ruprecht", rief es, "alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
Alte und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
Und morgen flieg ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!"
Ich sprach: "O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist;
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo's eitel gute Kinder hat."
- "Hast denn das Säcklein auch bei dir?"
Ich sprach: "Das Säcklein, das ist hier:
Denn Apfel, Nuß und Mandelkern
Fressen fromme Kinder gern."
- "Hast denn die Rute auch bei dir?"
Ich sprach: "Die Rute, die ist hier;
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten."
Christkindlein sprach: "So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!"
Von drauß' vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun spreche, wie ich's hier innen find!
Sind's gute Kind, sind's böse Kind?
Lieber, lieber Nikolaus zart,
hab schon lang auf dich gewart!
Will auf Vater und Mutter hören,
mußt mir nur was Guts bescheren!
Nikolaus, Nikolaus, Heiliger Mann,
zieh die Sonntagsstiefel an!
Reis damit nach Spanien,
kauf Äpfel, Nüss', Kastanien!
Bring den kleinen Kindern was,
die Grossen, die lass laufen,
die können selbst was kaufen!
Herr Nikolas, Herr Nikolas,
bring mir zum sechsten Dezember was!
Ich stell des Vaters Schuh vors Fenster,
den meinen fand ich viel zu klein.
Gelt, Nikolaus, du tust was hinein?
Nikolaus, sei unser Gast,
wenn du was im Sacke hast.
Hast du was, so setz dich nieder!
Hast du nichts, so pack dich wieder!
Sankt Niklas, komm in unser Haus,
leer deine großen Taschen aus,
stell dein Esel auf den Mist,
dass er Heu und Hafer frisst.
Heu und Hafer frisst er nicht,
Zuckerbrezel kriegt er nicht.
Grüß Gott, ihr Kinder im Haus!
Hört zu: Ich bin Sankt Nikolaus!
Habt keine Angst, schaut mich nur an-
ich bin kein wilder fremder Mann.
Den Sack hier hab' ich mitgebracht,
da drin steckt, was euch Freude macht!
Bimmelt was die Straße lang,
kling und klang und kling und klang.
Hält ein Schlitten vor dem Tor
und ein Schimmel schnauft davor.
Aus dem Schlitten vor dem Haus
steigt der Nikolaus heraus.
Durch den Schnee stapft er daher
oh, wie ist sein Sack so schwer.
Braven Kindern in dem Haus
leert er seinen Sack wohl aus.
Kling und klang und kling und klang,
weiter geht's die Straße lang.
Lieber, heiliger Nikolaus,
komm doch heut in unser Haus.
Lehr uns an die Armen denken,
laß uns teilen und verschenken.
Draussen weht es bitterkalt,
wer kommt da durch den Winterwald?
Stipp - stapp, stipp - stapp und huckepack -
Knecht Ruprecht ist's mit seinem Sack.
Was ist denn in dem Sack drin?
Äpfel, Mandeln und Rosin'
und schöne Zuckerrosen,
auch Pfeffernüss' fürs gute Kind;
die andern, die nicht artig sind,
die klopft er auf die Hosen.
Bald ist Weihnacht, wie freu' ich mich drauf,
da putzt uns die Mutter ein Bäumlein schön auf;
es glänzen die Äpfel, es funkeln die Stern',
wie hab'n wir doch alle das Weihnachtsfest gern.
Das Christkind ist durch den Wald gegangen,
Sein Schleier blieb an den Zweigen hangen,
Da fror er fest in der Winterluft
Und glänzt heut' morgen wie lauter Duft.
Ich gehe still durch des Christkind's Garten,
Im Herzen regt sich ein süß Erwarten:
Ist schon die Erde so reich bedacht,
Was hat es mir da erst mitgebracht!
Vom Christkind
Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen!
Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,
mit rotgefrorenem Näschen.
Die kleinen Hände taten ihm weh,
denn es trug einen Sack, der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her.
Was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihre Naseweise, ihr Schelmenpack -
denkt ihr, er wäre offen der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiss etwas Schönes drin!
Es roch so nach Äpfeln und Nüssen!
Hörst du draußen das Gebimmel
und die Pferde im Gespann:
Nikolaus treibt seine Schimmel
wieder einmal kräftig an.
Zu den Kindern will er eilen
durch den Schnee und durch den Wind,
seine Gaben auszuteilen,
weil sie lieb und artig sind.
Nikolaus im Walde
Es rauscht der Wind im Winterwalde
durch die kühle graue Flur
und ein Jeder hofft, - schon balde
find er St. Niklolauses Spur.
Ach, wann wird er endlich kommen,
dieser heiß ersehnte Gast ?
Kinder blicken teils benommen
von Baum zu Baum, von Ast zu Ast.
In den Blicken heißes Sehnen,
Fragen, was wird dann geschehn ?
Und mancher tut schon mal erwähnen,
"Ich hab St. Nikolaus gesehn".
Langsam neigt der Tag sich nieder,
Die Winternacht, sie steigt herauf,
als ein leises Raunen wieder,
stoppt der Kinder frommen Lauf.
Da aus dunstigem Gefilde
steigt wie eine Nebelnacht,
ein stilles schattiges Gebilde,
und die Dämmerung ist erwacht.
Kinderblicke werden helle
die Gesichter sind verzückt,
als Niklaus an der Tagesschwelle,
tritt in ihren Sehnsuchtsblick.
Du guter alter Nikolaus,
du Freund der Kinder nah und fern,
leer Deinen Sack heut bei uns aus,
wir alle haben dich so gern.
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