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Mittwoch, 28.02.2018, 09:48
Seit eineinhalb Wochen steht Lichtgestalt Helene Fischer nach ihrer Atemwegserkrankung wieder auf der Bühne. Am Dienstagabend spielte sie in der Münchner Olympiahalle. Die Showankündigung verprach ein spektakuläres, mehrstündiges Musik- und Akrobatikspektakel. Kann man das auch genießen, wenn man von Fräulein Fischers Omnipräsenz nur noch genervt ist? Unsere Autorin hat den Selbstversuch gewagt.
Eigentlich müsste Popschlager-Mucke für die Masse genau das richtige für mich sein, denn Freunde und Kollegen attestieren mir regelmäßig einen nicht vorhandenen Musikgeschmack. Nach wie vor halte ich "Everybody" für das beste Lied aller Zeiten, als Studentin im zweiten Semester datete ich kurzzeitig den Schlagzeuger einer meiner Meinung nach völlig zu Unrecht verschmähten Berliner Band namens "Octocock". Die Jungs hatten sich tatsächlich nach einem Tierreich-Porno benannt.
Zu viel Helene, zu viel Perfektion
Über eine Million Fans kauften allein in Deutschland ihr im letzten Jahr erschienenes Album "Helene Fischer", kaum eine Dorfdisco, Betriebsfeier oder Junggesellinnenabschied kommt nach 22 Uhr und drei Wodka Bull ohne die Dauer-Dudelei "Atemlos" aus. Wenn Journalisten neutral sein sollten, ist es spätestens mit der Schlager-Queen vorbei. Eine Spontan-Umfrage in der Redaktion ergab, dass jeder La Helene entweder vergöttert oder furchtbar nervig findet, ein Dazwischen gibt es nicht. Ich gehöre seit Jahren letzterer Fraktion an. Der Grund ist nicht, dass ich ihre Musik per se schlecht finde - der Beat von "Herzbeben" ist so eingängig, dass er mir seit Wochen im Kopf rumstampft. Vielmehr war mir lange Zeit die Über-Präsenz, das Über-Lächeln, der Über-Körper von Frau Fischer suspekt. Diese Friede, Freude, Flori-Welt, die sie verkörpert. Zu viel Helene, zu viel Perfektion. Nichts Unerwartbares. Bis auf eines, erst neulich.
Wenn eine Künstlerin ihre Konzerte absagen muss, weil sie krank und für eine Woche atemlos (höhö) ist und man fast glauben möchte, Merkel würde ihre GroKo-Gespräche fallen lassen und mit fettreduzierter Hühnersuppe ans Krankenbett sausen, ja dann ist der Punkt erreicht, an dem man sich Sorgen machen sollte.
Und als mein Chef mich an diesem Dienstagabend zum Helene-Konzert in die Münchner Olympiahalle abkommandierte, hätte ich nur eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt reizvoller gefunden. Ich hatte ja keine Ahnung.
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Helene ist Heroin
Die Halle ist mit 11.000 Fans ausverkauft, der süßliche Duft von Popcorn und Günstig-Prosecco wabert durch den Raum. Helene braucht keine Vorband - sie selbst ist der Masse genug. Eine monströse Uhr auf der Bühne läutet einen Countdown ein, um 20.14 hält die Halle den Atem an: Fischer schwebt, gehüllt in Glitter-Glitzer von der Hallendecke. "Servus, München", schallt es durch den Raum. München bebt. Und mein Herz auch. Seit über zehn Jahren besuche ich Konzerte auch beruflich - und noch nie habe ich erlebt, dass ein einzelner Künstler seinem Publikum so viel Glück zu bescheren scheint. Eine Kamera schwenkt durch die Menge, fängt sich umarmende, jubelnde, hüpfende, glückseelige Menschen ein. Sie strecken die Arme gen Bühne, bekommen ihr Idol doch nicht zu greifen. Und sie können trotzdem nicht genug bekommen. Helene ist ihr Heroin. So viel positive Energie steckt an - um es mit "Jerry Maguire" zu sagen: "You had me at hello." Du hattest mich sofort, Helene.
Jeder Ton sitzt, jeder Schritt der sorgsam über Monate in Kanada einstudierten Choreographie. In knallenger Lederhose und mit Raucher-Röhre verwandelt sie zu "Achterbahn" die Arena in den "besten Club der Stadt", zu "Herzbeben" räkelt sie sich lasziv mit ihren Tänzern ("Die hab ich alle selbst ausgesucht, hab ich gut gemacht, gell?") an einem Maxi-Metallgerüst und verschmilzt zu einem Haufen aus menschlichem Fleisch, dass es die finale Szene von "Das Parfum" wie ein Vorschulgeburtstag erscheinen lässt. Zwischendurch gibt es Durchschaufpausen für alle Beteiligten, ruhig-romantische Nummern wie "Schmetterling" und ja, auch das berühmt-berüchtigte Wasserfallkleid darf nicht fehlen.
FOL
Wer die letzten Konzertkritiken verfolgt hat - über 70 hat sie mit ihrer neuen Show gegeben, wie sie selbst von der Bühne runterplaudert - weiß, dass es keinesfalls Zufall ist, was Frau Fischer da so spontan wirkend ins Mikro haucht. Die Witzchen sind gleich, die Danksagungen an ihre Eltern, ihren Flori, ihre Anhänger, selbst einzelne Zwischenrufe bei "Achterbahn" wie "Spürt ihr das, [hier bitte Stadt der Wahl einsetzten]?" sind perfekt durchorchestriert. Aber wissen Sie was? Es macht nichts. Helene hat die Gabe, ihr Publikum fühlen zu lassen, es wäre das erste und einzige Mal.
Um 23.20 verlasse ich zu den letzten wummernden Bässen von "Atemlos" die Olympiahalle. Als ich die Stufen hinuntergehe, erwische ich mich selbst dabei, wie ich mich seelig im Takt der Musik wiege.
Helene Fischer ist noch bis zum 9. September auf ihren Live-Konzerten zu sehen, ab dem 23. Juni startet außerdem ihre Stadion-Tour.
Video: Mitten auf der Bühne: Helene Fischer lässt sich durch Fan zu anzüglichem Spruch hinreißen
Helene Fischer lässt sich durch Fan zu anzüglichem Spruch hinreißen
FOCUS Online/Wochit Helene Fischer lässt sich durch Fan zu anzüglichem Spruch hinreißen
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