Es wäre im Neujahrsfeiertaumel fast untergegangen: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat angekündigt, Heron-Drohnen für die Bundespolizei zu nutzen. Das sind große, Flugzeugen ähnliche unbemannte Flugroboter.
Er reiht sich damit ein in die lange Schlange der Käufer des Kriegsgeräts: Erst im Sommer wurde öffentlich, dass Frankreich den Erwerb von Heron-Drohnen erwägt, auch Großbritannien und einige südamerikanische Staaten zählen zu den Interessenten. Der Unterschied besteht nur darin, dass es in Deutschland der Innen- und nicht nur der Verteidigungsminister ist, der die kampferprobten Überwachungsdrohnen einsetzen möchte.
Die ferngeführten Heron-Drohnen sind ein Exportschlager der israelischen Rüstungsindustrie. Hersteller ist das Unternehmen IAI (Israel Aircraft Industries), in Deutschland produziert auch Rheinmetall die Drohne als Lizenznachbau. Die Bundeswehr setzt in Afghanistan bereits seit März 2010 den Typ „Heron 1“ zur militärischen Aufklärung ein.
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insatzerfahrung als Verkaufsargument
Die Heron-Drohnen sind das Ergebnis langjähriger Optimierung und Verfeinerung der Technik für Langzeitüberwachung in besetzten Gebieten und anderen Krisenherden. Sie können heute mehr als vierzig Stunden in der Luft bleiben und dabei nicht nur Video- und Infrarotbilder in Echtzeit zur Bodenstation senden, sondern auch mit Technologien zum Abhören von Funk- und Mobiltelefongesprächen ausgerüstet werden. Das Stören von Kommunikationsverbindungen ist Teil ihres möglichen technisches Repertoires - je nach Kundenwunsch. Die Hightech-Überwachungsdrohne ist mit einem Stückpreis von etwa viereinhalb Millionen Dollar allerdings kein Schnäppchen.
Das wichtigste Verkaufsargument für diese selbststeuernden Drohnen ist neben den generellen Leistungsdaten wie Flugzeit, Reichweite und mitführbares Gewicht für Kameras und Sensorik ihre Zuverlässigkeit. Daher sind am Weltmarkt derzeit vor allem die ferngelenkten Modelle aus Israel und den Vereinigten Staaten gefragt, bei denen man annimmt, die Kinderkrankheiten seien durch die lange Einsatzerfahrung behoben.
Zwei Minister mit ähnlichen Zielen
Ganze Serien von Abstürzen solcher Luftfahrzeuge, sowohl bei einem Heron-Modell als auch bei amerikanischen Typen, die meist auf Softwarefehler oder mechanische Probleme zurückgehen, verdeutlichen jedoch, dass die Technologie noch vergleichsweise wenig getestet ist. Auch die Bundeswehr hat bereits den Absturz von mehr als zwei Dutzend Drohnen in Afghanistan zu beklagen. Immerhin sitzt kein Mensch im Cockpit, denn die Piloten operieren im weit entfernten Kontrollzentrum.
Die Strategie Friedrichs offenbart sich, wenn man sie gemeinsam mit den Forderungen seines Amtskollegen Thomas de Maizière nach bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr betrachtet. Die deutsche Öffentlichkeit soll wohl langsam an die permanente Überwachung am Himmel und an die länderübergreifenden polizeilichen Auslandseinsätze gewöhnt werden. Was läge da näher, als erst mal mit dem „Meeres- und Küstenschutz“ und der „Katastrophenhilfe“ anzufangen? Und juristisch gilt der Drohneneinsatz als bloße kontinuierliche Videoüberwachung.
Schrittweise Ausweitung staatlicher Beobachtung
Zwar ist des Innenministers neuer Flugroboter mitnichten vergleichbar mit den bereits in mehreren Bundesländern eingesetzten kleinen primitiven Polizeidrohnen im Modellflugzeugformat, sondern ist ein ausgewachsenes Militärgerät mit einer Reichweite von 350 Kilometern. Doch wer kann schon etwas dagegen haben, die Überwachung auf der Nord- und Ostsee zu verstärken, um Altölverklapper und Raubfischer zu fangen oder Schiffbrüchige zu retten? Und falls die Drohnen dann doch mal vom Himmel fallen, landen sie nur vergleichsweise harmlos im Meer anstatt auf den Köpfen von Landbewohnern.
Ob die Drohnen auch an der deutschen Südküste über dem Bodensee zur Jagd auf Schwarzgeldschmuggler eingesetzt werden sollen, ist derzeit nicht bekannt, könnte der Maßnahme aber Sympathien in der Öffentlichkeit einbringen.
Der nächste Schritt, wenn sich der multifunktionale Überwachungsroboter-Einsatz über dem Wasser bewähren sollte, wäre dann die Einführung von langfristigen Erkundungsflügen und Drohnenüberwachungen auch über Land. Bemannte Polizeihubschrauber, die mittlerweile über die gleichen Kameramodelle wie militärische Drohnen verfügen, können nur relativ kurze Zeit in der Luft bleiben und sind pro Flugstunde exorbitant teuer. Demgegenüber ließe sich mit einer Drohne wie der Heron ein Großprotestereignis wie etwa ein G-8-Gipfel auch ohne zivil-militärische Zusammenarbeit mit zwei sich abwechselnden Drohnen vollständig überwachen - fast unbemerkt und inklusive Detailinformationen wie Autokennzeichen und Gesichtsbildern der Teilnehmer.
Grenzenlose Sicherheit durch unbegrenzte Überwachung?
Die nächste Generation von Überwachungsdrohnen fliegt ohnehin mit mehreren Dutzend Kameras an Bord, mit den Flugkörpern lassen sich ganze Städte auf einmal aus der Luft erfassen und überwachen. Was kann es Attraktiveres für einen Innenminister geben? Und der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags hat bereits die Förderung der weiteren Forschung beschlossen.
Doch sollte man den Versuch so bedenkenlos durchwinken, nach einer knappen Meldung zwischen Weihnachten und Neujahr? Wäre nicht zunächst eine öffentliche Diskussion über die umstrittenen Systeme zu führen? Denn es stellen sich grundlegende Fragen, die beantwortet werden müssen, ehe die Fluggeräte zum Einsatz kommen: Welche qualitativen Beschränkungen sollten der Technologie gesetzt werden, wenn es beispielsweise um die Auflösung von Bildern der Überwachungsdrohnen, die Dauer und Häufigkeit der Überflüge und die automatische Auswertung der Videos geht? Wer bestimmt die Ziele, wer verhindert, dass im Namen der Sicherheit in zehn Jahren über jeder Stadt permanent eine kleine Drohnenflotte kreist, die jede Bewegung am Boden erfasst, aufzeichnet und auswertet? Und wie selbstbestimmt sollen sich die Flugroboter bewegen dürfen, welche Grenzen hat ihre Autonomie?
Wir stehen am Anfang einer Überwachungstechnologie-Einführung, die keineswegs nur dem ohnehin ramponierten Vertrauen in die Sicherheitsbehörden überlassen werden darf. Die Weichen, die heute für den Drohneneinsatz gestellt werden, bestimmen auch über die zukünftigen Normen und Gesetze, sie entscheiden darüber, ob wir künftig sorgenvoll zum Himmel blicken müssen.
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