In mehreren Bundesländern haben Polizisten am Mittwoch die Wohnungen von Fotografen durchsucht. Dabei kopierten die Beamten wohl tausende Bilder von den Rechnern der Betroffenen.
Hunderte Beamte haben am Mittwoch in Brandenburg, Berlin, Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen die Wohnungen von Fotografen durchsucht. Bei den acht Betroffenen wurden Computer beschlagnahmt und Daten kopiert. Die Fotografen sind keine Beschuldigten, ihre Bilder sollen den Behörden in Frankfurt am Main lediglich bei der Suche nach Verdächtigen helfen. Zwei der freiberuflich arbeitenden Fotografen sind auch für die Potsdamer Neuesten Nachrichten und den Tagesspiegel tätig. Einer der Betroffenen ist derzeit auf Dienstreise – seine Berliner Wohnung wurde dennoch aufgebrochen. Zusammen mit den anderen soll er vergangenes Jahr bei den Protesten gegen die Finanzpolitik von Bundesregierung und Europäischer Union in der Bankenstadt dabei gewesen sein.
Die hessische Polizei geht davon aus, dass bei ihnen Fotos gefunden werden könnten, die eine Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Einsatzkräften zeigen. Offiziell werden Beweismittel im Falle einer Körperverletzung gesucht. Die Fotografen legten Beschwerde ein. Das Kopieren ihrer Daten sei unrechtmäßig. Journalistenverbände, Grüne, Linke und Piraten sehen das ähnlich. „Medienvertreter sind keine Hilfspolizisten“, sagte Andreas Köhn, der für die Gewerkschaft Verdi auch Journalisten vertritt. Verdi sicherte den Betroffenen für etwaige Prozesse Rechtsschutz zu. „Wir werden uns wehren, allein bei mir wurden 1341 Bilder kopiert“, sagte Christian Jäger, Fotograf aus Erkner, der auch für den Tagesspiegel tätig war.
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft will die Daten prüfen. Sollte sich herausstellen, dass die Fotografen nicht für ihr Archiv, sondern für Zeitungen tätig waren, werde man die Bilder vorerst nicht auswerten, sagte eine Sprecherin. „Ich habe Pressebilder gemacht, eines wurde etwa in der ’Financial Times Deutschland’ gedruckt. Das hätte die Polizei wissen müssen“, sagte Christian Mang, Betroffener aus Berlin.
Die Fotografen weisen darauf hin, dass Ermittler sie 2012 außerdem per E-Mail und Telefon zu den Protesten befragt hätten. „Ich habe erklärt, keine Bilder einer möglichen Schlägerei zu haben“, sagte Jäger. Dabei hätte es die Polizei belassen müssen. Der Deutsche Journalisten-Verband forderte, das beschlagnahmte Material unverzüglich zurückzugeben. Als „völlig inakzeptabel“ bezeichnete auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger den Einsatz.
Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus will den Einsatz im Innenausschuss thematisieren. Wohnungen freier Fotografen würden auch als Redaktionsräume gelten, sagte Benedikt Lux von den Grünen: „Das riecht mehr nach Einschüchterungsversuch als nach gezielter Ermittlung.“ Redaktionen genießen durch die verfassungsrechtlich verankerte Pressefreiheit besonderen Schutz. Sebastian Nerz, Vize-Bundeschef der Piraten, erklärte: "In den vergangenen Jahren wurden Grundrechte nur noch als lästige Grenze wahrgenommen." Dahingehende Probleme seien alltäglich. "Egal ob es um Hausdurchsuchungen wegen Nichtigkeiten in Redaktionen geht oder wie in diesem Fall, in dem Fotografen wie Verbrecher behandelt werden", sagte Nerz.
Rechtsanwalt Sven Richwin, der einen Betroffenen vertritt, sagte mit Blick auf den Durchsuchungsbeschluss aus Frankfurt am Main: "Die Erlaubnis dazu kommt zwar von einem hessischen Ermittlungsrichter, dem hat die Staatsanwaltschaft aber offenbar verheimlicht, dass es sich bei den Betroffenen um hauptberufliche Fotografen handelt."
Im Dezember hatte die Berliner Staatsanwaltschaft die Redaktion der „Berliner Morgenpost“ durchsuchen lassen und Unterlagen beschlagnahmt. Gegen einen Reporter wird wegen Bestechungsverdachtes ermittelt. Neben Kritik von Journalistenverbänden hatte der Axel-Springer-Verlag, zu dem die Zeitung gehört, Rechtsmittel gegen den Einsatz eingelegt. Die Untersuchung läuft noch.
Quelle: Tagesspiegel
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